Beim Lernen kommt man nicht ins Schwitzen, man sieht keine Anstrengung. Der Schweiß bricht erst in den Momenten aus, wo man das bräuchte, was man nicht richtig gelernt hat.
Wer denkt, verbraucht Energie. Denken ist unsichtbare, kognitive Schwerarbeit. Denken macht müde. Das Gehirn ist wie ein Muskel. Muskeln, die sich nicht anstrengen (müssen), verkümmern, bzw. bringen nicht die erforderliche Leistung, wenn es darauf ankommt.
Wenn man feststellt, dass man trotz aller Anstrengung beim Tennis den Ball einfach nicht richtig trifft und schnell aus der Puste kommt, kann man mit dieser Sportart problemlos Schluss machen. Was aber, wenn beim Lesen, Schreiben oder Rechnen ein Misserfolgserlebnis nach dem anderen folgt?
Fehlschläge können demotivieren. Erfolgserlebnisse machen Freude und spornen an. Beim Lehren kommt es darauf an, wie hoch man die Latte legt. Man muss sich nach den tatsächlichen Möglichkeiten des Kindes richten. Und man muss dafür sorgen, dass das Lernen gelingt.
Wie der Teufelskreis entsteht
Ich nehme ein Beispiel aus der Leseförderung. Nehmen wir an, ein altersgerechten Text soll mit 50 Wörtern pro Minute gelesen werden können. Wenn ein Kind unter dieser Norm liegt, muss es eben schneller lesen. Also, muss Tempo gemacht werden. „Du musst schneller werden, konzentrier dich halt besser!“, könnte die Ansage eines Elternteiles beim Üben sein, oder: „Jetzt habe ich dir das Wort schon dreimal vorgelesen, warum klappt es immer noch nicht?“ Das Kind, bei dem die Grundfertigkeiten des Lesens aber noch nicht sitzen, wird eine Zeitlang versuchen, den Eltern gerecht zu werden, aber dabei verzweifeln. Wenn der Druck immer größer wird, immer mehr auf gleiche Art und Weise geübt wird, gibt das Kind irgendwann auf. „Es macht zu“, wie ich zu sagen pflege. Das Kind ist im Teufelskreis Lernstörung angekommen.
Schon so manches Kind, das ich übernommen habe, war davon betroffen. Die Eltern klagten, dass zu Hause gar nicht mehr geübt werden kann. Immer, wenn es ums Lesen geht, beginnt ein Kampf. So etwas kann sich bei allen Lernthemen zutragen.
Was tun?
Wie durchbricht man diesen Teufelskreis bzw. wie vermeidet man ihn? Betroffenen Eltern sage ich offen, dass Ihnen die Geduld fehle und sie auf einem zu hohen Niveau mit zu viel Einsatz üben.
Üben auf einem zu anspruchsvollem Level ist ein häufiges Problem beim häuslichen Lernen. Man konzentriert sich auf einen Stoff der Klassenstufe. Aber das Kind hängt weit hinterher und müsste erst ein vorhergehendes Lernthema aufholen. Dafür fehlt die Zeit. Druck bringt da gar nichts. Das ist so, als würde ein Gewichtheber mit schweren Hanteln üben, obwohl der Muskelaufbau dafür nicht erfolgt ist. Im Falle des Gewichthebers würde jeder merken, woran es liegt, dass die Gewichte nicht in die Höhe gewuchtet werden können. Bei Lernthemen ist das nicht so offensichtlich, aber im Grunde genauso.
Einfacher Rat
Unser Gewichtheber bekommt den Rat, leichtere Gewichte zu nehmen und damit viele Wiederholungsübungen zu machen, um Muskeln aufzubauen.
Und der Schüler, der beim Lesen zurückhängt? Genau, der muss es so machen wie der Gewichtheber: Leichtere Texte und Wiederholungsübungen, um Sicherheit zu entwickeln. Und ein Kind braucht Zuspruch und Ermunterung. Beides sind Motivationsfaktoren und können vielfältig ausgestaltet werden. Therapeuten arbeiten zum Beispiel oft mit geeigneten Spielen, die den Kindern Spaß machen, oder haben sich Rituale angeeignet, die für eine entspannte Atmosphäre sorgen. Sie wissen, worauf es ankommt. Ich sage immer, am wichtigsten ist es, dass das Kind Verständnis spürt und die Hilfe annimmt.
Sich helfen lassen
Zuerst aber muss man feststellen, wo das Kind steht. Da gibt es für alle Gebiete professionelle Werkzeuge. Man muss feststellen, welchen Fertigkeit das Kind hat und wo etwas zu tun ist. Das können natürlich auch Eltern. Aber oft brauchen Sie Anleitung, wie zum Beispiel in den Kursen oder Vorträgen, die in diesem Netzwerk angeboten werden. Auch eine Onlinebegleitung für Eltern (Lernbegleitung 360°) ist eine gute Möglichkeit. Eine externe Hilfe erleichtert den Einstieg in die Förderung und wirkt oft befreiend. Im Kompetenzzirkel Lernen findet man einige TherapeutInnen, die mit Eltern arbeiten unter der Therapeutensuche:
Wichtig ist, dass nicht zu lange gewartet wird, ehe etwas unternommen wird. Ich wünsche allen Eltern viel Erfolg bei der Förderung ihrer Kinder.
Ein Beispiel für meine Vorgehensweise bei meiner ehrenamtlichen Arbeit finden Sie im neuesten Blog auf meiner Internetseite.
Link zum Blog: https://der-lesekoch.de/ein-praxisfall-zum-tag-der-legasthenie/

